Statistiken

Statistiken zu physischer Gewalt

Schweiz

Die Grafik der Entwicklung der polizeilich registrierten häuslichen Gewaltstraftaten zeigt, dass die Anzahl Straftaten in dem Raum der Jahre 2009 bis 2021 zugenommen hat. Vor allem im Jahr 2020 stieg die Rate von häuslicher Gewalt an. Dies könnte auf den durch die Covid-19 Pandemie ausgelösten Lockdown zurückzuführen sein, wodurch Täter*in und Opfer häufiger beieinander waren. Diese Grafik umfasst häusliche Gewalt allgemein und nicht spezifisch physische Gewalt gegenüber Kindern. Zudem werden nur die polizeilich registrierten Straftaten abgebildet, wodurch die Grösse der Dunkelziffer unbekannt bleibt.

Häusliche Gewalt: Entwicklung der polizeilich registrierten Straftaten. BFS. (2022). Häusliche Gewalt.

 

Die folgenden vier Diagramme zeigen die Verteilung der geschädigten und beschuldigten Personen nach Geschlecht und pro Beziehungsart. Links unten wird die Verteilung in der Eltern-Kind-Beziehung dargestellt. Diese Grafik bezieht sich auf jegliche häusliche Gewalt, worunter auch sexuelle Gewalt zählt. In der Eltern-Kind-Beziehung kommt mit 38% die Kombination „beschuldigter Mann – geschädigte Frau“ am häufigsten vor, also dass Väter Gewalt gegenüber ihren Töchtern ausüben. Die Kombination „beschuldigter Mann – geschädigter Mann“ folgt darauf mit 31%. Am dritthäufigsten kommt mit 19% „beschuldigte Frau – geschädigte Frau“ vor und zuletzt mit 12% die Kombination „beschuldigte Frau – geschädigter Mann “. Insgesamt üben mehr Männer Gewalt gegenüber Kindern aus und Mädchen sind häufiger Opfer von Gewalt als Buben.

Häusliche Gewalt: Verteilung der geschädigten und beschuldigten Personen nach Geschlecht und pro Beziehungsart, 2021. BFS. (2022). Häusliche Gewalt.

 

Die Verteilung der Gewaltstraftaten nach Wochentag zeigt, dass sich die Straftaten am häufigsten am Wochenende ereignen und am Sonntag noch häufiger als samstags. Das Bundesamt für Statistik gibt jedoch keine absoluten Zahlen an, wodurch der Unterschied in der Häufigkeit gross sein kann, aber auch minimal und somit unbedeutend. Ausserdem handelt es sich bei dieser Grafik erneut um jegliche Art von häuslicher Gewalt gegenüber Personen jeglichem Alter.

Häusliche Gewalt: Verteilung der Gewaltstraftaten nach Wochentag, 2019-2021. BFS. (2022). Häusliche Gewalt.

 

Der Tatort, an dem der Gewaltakt stattfindet, wird in privaten und öffentlichen Raum unterteilt. Unter dem privaten Raum zählen nur für andere nicht zugängliche Privaträume, wie zum Beispiel das eigene Zuhause. (BFS, 2022) In der Eltern-Kind-Beziehung finden mit 92% die meisten Gewaltstraftaten in den eigenen vier Wänden statt und nur 7% in öffentlichen Räumen. 2% der Tatörtlichkeiten sind unbekannt.

Häusliche Gewalt: Tatörtlichkeit nach Beziehung, 2019-2021. BFS. (2022). Häusliche Gewalt.

 

Die Belastungsrate drückt die Anzahl geschädigter Personen pro 10 000 Einwohner einer entsprechenden Bevölkerungsgruppe aus. Belastungsraten können somit differenziert nach spezifischen Bevölkerungsgruppen wie beispielsweise nach Geschlecht und Altersgruppe berechnet werden, um die Häufigkeit in bestimmten Bevölkerungsgruppen aufzuzeigen. Dabei werden jedoch nur die von der Polizei registrierten Verbrechen wiedergegeben. (BFS, 2022)

Die durchschnittlichen Belastungsraten nach Geschlecht und Alter von durch die Eltern geschädigte Opfer zeigen, dass Kinder im Alter von 15 bis 17 Jahren am meisten von häuslicher Gewalt betroffen sind. Die Belastungsraten steigen bis zum 15. bis 17. Lebensjahr und fallen danach stark. Weibliche Personen sind in fast allen Altersklassen öfter betroffen als männliche Personen. Es handelt sich hierbei jedoch generell um häusliche Gewalt und nicht um ausschliesslich physische Gewalt.

Häusliche Gewalt: von den Eltern geschädigte Personen, Belastungsraten nach Geschlecht und Alter, 2019-2021. BFS. (2022). Häusliche Gewalt.

 

In der folgenden Grafik wurden ausschliesslich minderjährige Opfer berücksichtigt und nach Straftat und Geschlecht geordnet. Total lag die Summe geschädigter Mädchen und Jungen bei 4 865 Kindern (BFS, 2022). Mit 57% ist der gesamte Anteil betroffener Mädchen höher. Generell sind bei den meisten Straftaten mehr Mädchen als Jungen betroffen, ausser bei versuchten Tötungsdelikten, schwerer Körperverletzung und Gefährdung des Lebens.

Häusliche Gewalt: durch die Eltern und/oder die restliche Familie geschädigte minderjährige Personen nach Straftat und Geschlecht, 2019-2021. BFS. (2022). Häusliche Gewalt.

 

In den Jahren 2019 bis 2021 wurden durchschnittlich 1 295 Personen pro Jahr aufgrund der Anwendung von Gewalt gegenüber ihren Kindern von der Polizei registriert (BFS, 2022). Insgesamt sind die beschuldigten Personen mit 68% mehrheitlich Männer. Der Anteil an weiblichen Elternteilen beträgt 32%. In allen bis auf zwei Altersklassen dominiert der männliche Anteil an Täter*innen. Die höchste Belastungsrate liegt bei Männern im Alter von 40 bis 49 Jahren und bei Frauen im Alter von 35 bis 39.

Häusliche Gewalt: beschuldigte Eltern, Belastungsraten nach Geschlecht und Alter, 2019-2021. BFS. (2022). Häusliche Gewalt.

 

Jedoch ist die Dunkelziffer dieser Ergebnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit gross, denn aus anderen Studien ist bekannt, dass nur etwa 20% der Fälle von häuslicher Gewalt der Polizei gemeldet werden (EBG, 2021).

 

International

Weltweit erleiden jedes Jahr ungefähr eine Milliarde Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zwei und 17 Jahren eine Art von physischer, psychischer oder sexueller Gewalt, was jedem zweiten Kind entspricht. Ausgeführt wird der Gewaltakt meistens durch die Menschen, durch welche das Kind Schutz erhalten sollte. Drei von vier Kindern zwischen zwei und vier Jahren sind täglich von physischer oder psychischer Gewalt betroffen, ausgeübt durch die eigenen Eltern oder Erziehungsberechtigten. Dies entspricht einer Zahl von rund 300 Millionen Kindern.  Laut Daten aus 30 Ländern beginnt das Erleben von Gewalt sehr früh, da 50% aller Kinder zwischen zwölf und 23 Monaten mit physischer Gewalt als Bestrafungsmethode konfrontiert werden. Gründe, warum Kinder so oft Gewalt in ihrer Erziehung ausgesetzt sind, liegen darin, dass häufig eine gesetzliche Grundlage für das Recht des Kindes auf eine gewaltfreie Erziehung fehlt. Bis jetzt haben lediglich 60 Länder die gewaltfreie Erziehung in ihrem Gesetz verankert. Ausserdem stufen etwa 1,1 Milliarden Eltern und Erziehungsberechtigte Schläge und Körperstrafen für ein notwendiges Mittel der Erziehung ein. (Unicef, 2020)

 

Einfluss der Covid-19 Pandemie

Im März 2019 wurde aufgrund von Covid-19 ein landesweiter Lockdown ausgesprochen, um die Ausbreitung des Virus zu einzudämmen. Alle waren dazu aufgefordert zu Hause zu bleiben und sich selbst zu isolieren.

Dadurch, dass Familien durch den Lockdown permanent nah beieinander waren, lässt sich ein Anstieg der Fälle von häuslicher Gewalt vermuten. Die Corona-Pandemie erhöhte Risikofaktoren für häusliche Gewalt. Wirtschaftliche Not und Suchtprobleme führten eher zu Stresssituationen zuhause. Diese wurden insbesondere durch eigeschränkte Mobilität und Massnahmen wie Homeoffice verstärkt. (EBG, 2021)

Gemäss der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) der Schweiz gibt es im Jahr 2020 keine signifikante Erhöhung von Gewaltstraftaten im häuslichen Bereich gegenüber zum Trend der Vorjahre. Die PKS repräsentiert in den Statistiken jedoch nur die gemeldeten und polizeilich registrierten Straftaten. Die nicht abgebildete Dunkelziffer ist vermutlich sehr gross, denn aus früheren Studien des Bundesamts für Justiz ist bekannt, dass nur etwa 20 Prozent der Fälle von häuslicher Gewalt tatsächlich an die Polizei gemeldet werden. (EBG, 2021)

Der Bund ernannte die „Task Force Häusliche Gewalt und Corona“, um eine erhöhte Wachsamkeit zu garantieren, da vermehrte Konflikte innerhalb Familien vermutet wurden. Seit dem Frühling 2020 nahm die Task Force regelmässig Lagebeurteilungen anhand von Informationen der Einsatzbehörden, der kantonalen Opferhilfestellen und der Schutzunterkünfte vor. Es wurde festgestellt, dass Familienstreitigkeiten und leichtere Formen häuslicher Gewalt, die nicht zur Anzeige führen, zunahmen. Die Opferhilfestellen mancher Kantone beobachteten eine Zunahme von Neumeldungen. Frauenhäuser waren grösstenteils vollständig besetzt, wodurch Hilfesuchende teilweise an Unterkünfte in anderen Kantonen weiterverwiesen werden mussten. Zudem stieg die Zahl an polizeilichen Interventionen in manchen Kantonen temporär. (EBG, 2021)

Auch andere empirische Studien zeigen, dass der Covid-19-Lockdown zu einem Anstieg von häuslicher Gewalt führte. Dabei stimmt die Anzahl polizeilich erfasster Gewalttaten nicht mit der tatsächlichen Rate an häuslicher Gewalt überein. Es sei anzunehmen, dass durch den Lockdown nicht nur die Häufigkeit von Gewalttaten beeinflusst wurde, sondern auch das Anzeigeverhalten der Opfer. Dadurch dass Betroffene mit den Täter*innen isoliert waren, wurde die Möglichkeit bei der Polizei Anzeige zu erstatten, stark eingeschränkt. (Anderberg et al., 2022, S. 32–33)

Um genannte Verfälschungen zu überwinden, wurden in London Studien auf der Grundlage von Google-Suchdaten durchgeführt.  Die tägliche Frequenz von 35 Google-Suchbegriffen zu häuslicher Gewalt wurde über fünf Jahre hinweg mit den täglichen Daten der London Metropolitan Police von häuslicher Gewalt verglichen. Aus der Kombination der Datensätze wurde mit einem algorithmischen Ansatz ein suchbasierter Index für die Fälle von häuslicher Gewalt erstellt. „Mit Hilfe dieses neuen Index schätzen wir, dass der Londoner Covid-19-Lockdown im März 2020 zu einem Anstieg der Rate von häuslicher Gewalt um 40% führte. Dieser Effekt ist sieben- bis achtmal stärker als der durch Polizeidaten gemessene Anstieg.“ (Anderberg et al., 2022, S. 32–33)

 

 

 


Quellen und weitere Informationen

Anderberg, D., Rainer, H., & Siuda, F. (2022). Der Einfluss der Covid-19-Pandemie auf häusliche Gewalt—Neue Ansätze zur Quantifizierung mittels Google-Suchdaten. Psychological Trauma: Theory, Research, Practice, and Policy, 12(S1). https://doi.org/10.1037/tra0000866

BFS. (2022, März 3). Häusliche Gewalt. Bundesamt für Statistik. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/kriminalitaet-strafrecht/polizei/haeusliche-gewalt.html

EBG. (2021, März 22). Häusliche Gewalt während Corona-Pandemie – Wachsamkeit weiterhin nötig. admin. https://www.admin.ch/gov/de/start/dokumentation/medienmitteilungen.msg-id-82772.html

Unicef. (2020). Alltägliche Gewalt gegen Kinder: Zahlen und Fakten. https://www.uniklinik-ulm.de/fileadmin/default/05_Uber-uns/2020-06-27_Faktenblatt_Gewalt_gegen_Kinder.pdf